Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels - Androcur 100 mg - Tabletten
1. BEZEICHNUNG DES ARZNEIMITTELS
Androcur 100 mg – Tabletten
2. QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG
Jede Tablette enthält 100 mg Cyproteronacetat.
Sonstiger Bestandteil mit bekannter Wirkung:
192 mg Lactosemonohydrat pro Tablette (siehe Abschnitt 4.4)
Vollständige Auflistung der sonstigen Bestandteile siehe Abschnitt 6.1
3. DARREICHUNGSFORM
Tablette
Weiße bis schwach gelbliche, auf einer Seite gekerbte Tabletten, mit „LA“ auf beiden Seiten der Kerbe eingeprägt und einem regelmäßigen Hexagon auf der anderen Seite. Die Tablette kann in gleiche Hälften geteilt werden.
4. KLINISCHE ANGABEN
4.1 Anwendungsgebiete
Androcur wird angewendet beim Mann.
Palliative Antiandrogen-Therapie des inoperablen Prostatakarzinoms, einschließlich der Reduktion von Hitzewallungen unter Therapie mit Gn-RH-Agonisten oder nach Orchiektomie.
4.2 Dosierung und Art der Anwendung
Zum Einnehmen
Dosierungsschema
1 Tablette Androcur 100 mg 2 – 3mal täglich (200 – 300 mg). Die maximale Tagesdosis beträgt 300 mg.
Die Tabletten sind mit etwas Flüssigkeit nach der Mahlzeit einzunehmen.
Die Therapie soll weder abgesetzt noch die Dosis reduziert werden, wenn es zur Besserung oder Remission gekommen ist.
- Zur Verminderung des anfänglichen Anstieges der Androgene bei der Behandlung mit Gn-RH-Agonisten (als Kombinationstherapie):
Anfangs 1 Tablette Androcur 100 mg zweimal täglich (200 mg) allein über 5 – 7 Tage, anschließend 1 Tablette Androcur 100 mg zweimal täglich (200 mg) über 3 – 4 Wochen zusammen mit einem GnRH-Agonisten in der vom Zulassungsinhaber vorgesehenen Dosierung (siehe Fachinformationen des GnRH-Agonisten).
- Zur Behandlung von Hitzewallungen bei Patienten, die mit GnRH-Analoga behandelt werden oder die orchiektomiert wurden:
% – 1 % Tabletten Androcur 100 mg täglich (50 – 150 mg) mit aufsteigender Titration bis zu 1 Tablette 3mal täglich (300 mg), falls erforderlich.
Der Nutzen einer maximalen Androgenblockade konnte bisher nicht überzeugend nachgewiesen werden.
Zusätzliche Hinweise zu besonderen Patientengruppen
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre:
Die Anwendung von Androcur bei männlichen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird aufgrund des Fehlens von Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit nicht empfohlen.
Androcur darf nicht vor Beendigung der Pubertät angewendet werden, da ein ungünstiger Einfluss auf das Längenwachstum und die noch nicht stabilisierten Achsen der endokrinen Funktion nicht ausgeschlossen werden kann.
Ältere Patienten: (65 Jahre oder älter)
Es gibt keine Daten, die auf eine Notwendigkeit zur Dosisanpassung bei älteren Patienten hinweisen.
Patienten mit Leberinsuffizienz:
Die Anwendung von Androcur ist kontraindiziert bei Patienten mit Lebererkrankung (d.h. solange sich die Leberfunktionswerte noch nicht normalisiert haben).
Patienten mit Niereninsuffizienz:
Es gibt keine Daten, die auf eine Notwendigkeit zur Dosisanpassung bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion hinweisen.
4.3 Gegenanzeigen
– Lebererkrankungen
– Dubin-Johnson-Syndrom; Rotor-Syndrom
– vorausgegangene oder bestehende Lebertumoren (wenn sie nicht durch Metastasen eines Prostatakarzinoms bedingt sind)
– Meningeome oder Meningeome in der Vorgeschichte
– zehrende Krankheiten (bekannte oder vermutete maligne Erkrankungen mit Ausnahme des inoperablen Prostatakarzinoms)
– schwere chronische Depression
– bestehende thromboembolische Prozesse
– schwerer Diabetes mit Gefäßveränderungen
– Sichelzellanämie
– Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile
4.4 Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung
Direkte Lebertoxizität, einschließlich Gelbsucht, Hepatitis und Leberinsuffizienz, wurde bei Patienten, die mit Androcur behandelt wurden, berichtet. Bei Dosen von 100 mg und mehr wurden auch Fälle mit tödlichem Verlauf berichtet. Die meisten gemeldeten tödlichen Fälle traten bei Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom auf. Die Toxizität ist dosisabhängig und entwickelt sich üblicherweise einige Monate nach Behandlungsbeginn.
Vor Behandlungsbeginn, in regelmäßigen Abständen während der Behandlung sowie bei Auftreten von Symptomen oder Anzeichen, die eine Lebertoxizität vermuten lassen, sollen Leberfunktionstests durchgeführt werden. Bestätigt sich der Verdacht auf Lebertoxizität, soll Androcur abgesetzt werden, es sei denn, die Lebertoxizität ist durch eine andere Ursache, z. B. Metastasen, erklärbar. In diesem Fall soll die Behandlung mit Androcur nur fortgesetzt werden, wenn der erwartete Nutzen das Risiko überwiegt.
In sehr seltenen Fällen wurden nach Anwendung von Androcur gutartige und bösartige Lebertumoren, die in Einzelfällen zu lebensbedrohlichen intraabdominalen Hämorrhagien führen können, beobachtet. Wenn starke Oberbauchbeschwerden, eine Lebervergrößerung oder Anzeichen einer intraabdominalen Blutung auftreten, soll ein Lebertumor in die differentialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden.
Meningeom:
In Verbindung mit der Anwendung von Cyproteronacetat wurde das Auftreten von Meningeomen (einzeln und multipel) hauptsächlich bei Dosen von 25 mg pro Tag und darüber berichtet. Das Risiko eines Meningeoms steigt mit zunehmenden kumulativen Dosen von Cyproteronacetat (siehe Abschnitt 5.1). Hohe kumulative Dosen können durch langfristige Anwendung (mehrere Jahre) oder bei kürzerer Dauer durch hohe Tagesdosen erreicht werden.
Patienten sollten gemäß klinischer Praxis auf Meningeome überwacht werden. Wenn bei einem mit Androcur 100 behandelten Patienten ein Meningeom diagnostiziert wird, muss die Behandlung mit Androcur 100 und anderen cyproteronhaltigen Arzneimitteln dauerhaft beendet werden (siehe Abschnitt „Gegenanzeigen“).
Einige Belege deuten darauf hin, dass das Risiko für ein Meningeom nach Beendigung der Behandlung mit Cyproteronacetat sinken könnte.
Thromboembolische Ereignisse
Über das Auftreten thromboembolischer Ereignisse bei Patienten, die Androcur einnehmen, wurde berichtet, obwohl ein Kausalzusammenhang bisher nicht festgestellt wurde. Bei Patienten mit vorausgegangenen arteriellen oder venösen thrombotischen/thromboembolischen Ereignissen (z.B. tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Herzinfarkt) oder mit zerebrovaskulären Ereignissen in der Anamnese oder mit fortgeschrittenen malignen Erkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko für weitere thromboembolische Ereignisse.
Bei Patienten mit thromboembolischen Ereignissen in der Anamnese muss eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Bewertung in jedem einzelnen Fall vor der Verschreibung von Androcur durchgeführt werden.
Anämie
Über das Auftreten von Anämie unter der Behandlung mit Androcur wurde berichtet. Deshalb soll das rote Blutbild während der Behandlung regelmäßig kontrolliert werden.
Diabetes
Strenge medizinische Überwachung ist erforderlich, wenn der Patient an Diabetes leidet, da sich der Bedarf an oralen Antidiabetika oder Insulin während der Behandlung mit Androcur ändern kann (siehe auch Abschnitt 4.5).
Kurzatmigkeit
Unter einer Behandlung mit Androcur kann es bei hoher Dosierung zum Gefühl der Kurzatmigkeit kommen. Differentialdiagnostisch muss in solchen Fällen an den für Progesteron und synthetische Gestagene bekannten stimulierenden Effekt auf die Atmung gedacht werden, der mit Hypokapnie und kompensierter respiratorischer Alkalose einhergeht und nicht als behandlungsbedürftig gilt.
Nebennierenrindenfunktion
Da unter hochdosierter Therapie – aufgrund der kortikoid-ähnlichen Wirkung von Androcur – bei Patienten im Individualfall eine Verminderung von Kortisol beobachtet wurde, sollte die Nebennierenrindenfunktion während der Behandlung regelmäßig überprüft werden.
Lactose
Dieses Arzneimittel enthält 192 mg Lactosemonohydrat. Patienten mit der seltenen hereditären Galactoseintoleranz, LAPP-Lactase-Mangel oder Glucose-Galactose Malabsorption sollten dieses Arzneimittel nicht anwenden.
4.5. Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen
Strenge medizinische Überwachung ist erforderlich, wenn der Patient an Diabetes leidet, da sich der Bedarf an oralen Antidiabetika oder Insulin während der Behandlung mit Androcur ändern kann (siehe auch Abschnitt 4.4).
Obwohl klinische Studien zu Wechselwirkungen nicht durchgeführt wurden, ist – da dieses Arzneimittel durch CYP3A4 metabolisiert wird, zu erwarten, dass Ketoconazol, Itraconazol, Clotrimazol, Ritonavir und andere starke CYP3A4-Inhibitoren den Metabolismus von Cyproteronacetat hemmen. Andererseits können CYP3A4-Induktoren wie z.B. Rifampicin, Phenytoin und Produkte, die Johanneskraut enthalten, den Cyproteronacetat-Spiegel senken.
Basierend auf in vitro Inhibitionsstudien ist eine Hemmung der Zytochrom-P 450-Enzyme CYP2C8, 2C9, 2C19, 3A4 und 2D6 bei hohen therapeutischen Cyproteronacetat-Dosen von dreimal 100 mg pro Tag, möglich.
Das Risiko einer Statin-bedingten Myopathie oder Rhabdomyolyse kann erhöht sein, wenn diese HMGCoA-Inhibitoren (Statine), die primär durch CYP3A4 metabolisiert werden, zusammen mit hohen therapeutischen Cyproteronacetat-Dosen verabreicht werden, da sie dem selben Stoffwechselweg unterliegen.
4.6. Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit
Die Anwendung von Androcur 100 (zur Anwendung beim Mann) ist bei Frauen nicht indiziert. Androcur führt beim Mann zur reversiblen Hemmung der Spermatogenese.
Die durch die tägliche orale Behandlung hervorgerufene vorübergehende Hemmung der Fertilität bei männlichen Ratten ergab keinerlei Anzeichen dafür, dass die Behandlung mit Androcur eine Schädigung der Spermatozoen hervorruft, die zu Missbildungen oder einer eingeschränkten Fertilität der Nachkommen führen könnte.
4.7 Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen
Patienten, deren Tätigkeit erhöhte Konzentration erfordert (z.B. Teilnahme am Straßenverkehr, Bedienen von Maschinen), sollten darauf hingewiesen werden, dass Androcur 100 mg
Tabletten zu Müdigkeit und Antriebsminderung führen sowie das Konzentrationsvermögen beeinträchtigen können.
4.8 Nebenwirkungen
Die am häufigsten auftretenden unerwünschten Wirkungen bei Patienten nach Anwendung von Androcur sind verminderte Libido, erektile Dysfunktion und reversible Hemmung der Spermatogenese.
Die schwerwiegendsten unerwünschten Wirkungen bei Patienten nach Anwendung von Androcur sind hepatische Toxizität, benigne und maligne Lebertumoren, die zu intraabdominalen Hämorrhagien führen können und thromboembolische Ereignisse.
Über das Auftreten von Meningeomen (einzeln und multipel) wurde in Verbindung mit der Anwendung von Cyproteronacetat berichtet (siehe Abschnitt 4.4).In der nachfolgenden Tabelle werden die Häufigkeiten der Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Androcur aufgeführt. Die Häufigkeiten sind definiert als sehr häufig (>1/10), häufig (>1/100, <1/10), gelegentlich (>1/1.000, <1/100), selten (>1/10.000, <1/1.000) und sehr selten (<1/10.000). Nebenwirkungen, die postmarketing gemeldet wurden bzw. deren Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar war, sind unter „nicht bekannt“ aufgelistet.
Systemorgan klasse MedDRA | Sehr häufig | Häufig | Gelegentlich | Selten | Sehr selten | Nicht bekannt |
Gutartige, bösartige und unspezifisch e Neubildunge n | Meningeom*), ) | Benigne und maligne Lebertumo ren*) | ||||
Erkrankunge n des Blutes und des Lymphsyste ms | Anämie*) | |||||
Erkrankunge n des Immunsyste ms | Überempfind-lichkeitsreakti on | |||||
Stoffwechsel – und Ernährungsstörungen | Gewichtszuoder abnahme | |||||
Psychiatrisc he Erkrankunge n | verminderte Libido Erektile Dysfunktion | depressive Verstimmun g Unruhe (zeitweise) | ||||
Gefäßerkrank ungen | Thrombo-embolisch e Ereignisse ) | |||||
Erkrankunge n der Atemwege, des Brustraums und Mediastinum s | Kurzatmigkei t) | |||||
Erkrankunge n des Gastrointesti naltrakts | Intraabdo minale Hämorrha gien*) | |||||
Leber- und Gallenerkran kungen | hepatische Toxizität, einschließlic h Ikterus, Hepatitis, Leberinsuffiz ienz* |
Systemorgan klasse MedDRA | Sehr häufig | Häufig | Gelegentlich | Selten | Sehr selten | Nicht bekannt |
Erkrankunge n der Haut und des Unterhautzell gewebes | Ausschlag | |||||
Skelettmusk ulatur-, Bindegewebs – und Knochenerkrankungen | Osteoporo se | |||||
Erkrankunge n der Geschlechtsorgane und der Brustdrüse | reversible Hemmung der Spermatogenese | Gynaekoma stie | ||||
Allgemeine Erkrankunge n und Beschwerde n am Verabreichun gsort | Müdigkeit Hitzewallungen Schweißausbrüche |
*) Für weitere Informationen siehe Abschnitt 4.4.“Besondere Warnhinweise und
Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“
siehe Abschnitt 4.3 „Gegenanzeigen“
Unter Behandlung mit Androcur 100 mg sind Sexualtrieb und Potenz vermindert und die Gonadenfunktion gehemmt. Diese Veränderungen sind nach Absetzen der Behandlung reversibel.
Im Laufe einiger Wochen hemmt Androcur 100 mg die Spermatogenese aufgrund der antiandrogenen und antigonadotropen Wirkung. Die Spermatogenese erholt sich schrittweise innerhalb weniger Monate nach Absetzen der Behandlung.
Androcur 100 mg kann zu Gynäkomastie führen (manchmal zusammen mit einer Berührungsempflindlichkeit der Brustwarzen), die sich für gewöhnlich nach Absetzen des Präparates zurückbildet.
Wie bei anderen antiandrogenen Behandlungen kann der langfristige Androgenentzug zu Osteoporose führen.
Unter höheren Dosen Cyproteronacetat wurde gelegentlich eine Tendenz zu leicht erhöhten Prolaktinspiegeln beobachtet. (siehe 4.8)
Es wird der jeweils zutreffendste MedDRA-Term (Version 8.0) aufgelistet um eine bestimmte Nebenwirkung zu beschreiben. Synonyme oder ähnliche Zustände sind nicht aufgelistet, sollten jedoch ebenso in Betracht gezogen werden.
Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen
Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von großer Wichtigkeit. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung über das nationale Meldesystem anzuzeigen:
Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen
Traisengasse 5
1200 Wien
Österreich
Fax: + 43 (0) 50 555 36207
Website:
4.9 Überdosierung
4.9 ÜberdosierungAkute Toxizitätsstudien nach einmaliger Verabreichung ergaben, dass Cyproteronacetat, der Wirkstoff von Androcur 100 mg als praktisch nicht toxisch einzustufen ist. Ebensowenig ist ein akutes Intoxikationsrisiko nach einmaliger versehentlicher Verabreichung eines Vielfachen der für die Therapie erforderlichen Dosis zu erwarten. Ein Antidot ist nicht bekannt.
Falls doch eine sehr hohe Überdosierung, die behandlungsbedürftig erscheint, auftreten sollte, ist die Therapie symptomatisch.
5. PHARMAKOLOGISCHE EIGENSCHAFTEN
5.1. Pharmakodynamische Eigenschaften
Pharmakotherapeutische Gruppe: Urogenitalsystem und Sexualhormone, Antiandrogene, rein, Cyproteron.
ATC Code: G03HA01
Androcur ist ein antiandrogenes Hormonpräparat mit zusätzlicher gestagener und antigonadotropen Wirkung. Unter der Behandlung mit Androcur wird der Sexualtrieb und die Potenz vermindert und die Gonadenfunktion gehemmt. Cyproteronacetat hemmt kompetitiv die Wirkung von Androgenen an androgenabhängigen Zielorganen, z.B. schützt es die Prostata vor Androgenen aus Gonaden und/oder der Nebennierenrinde.
Cyproteronacetat hat eine zentrale Hemmwirkung. Die antigonadotrope Wirkung führt zu einer Reduktion der Testosteronsynthese in den Testes und somit zu einer Verminderung der Serumkonzentration von Testosteron.
Die antigonadotrope Wirkung von Cyproteronacetat wird auch ausgeübt, wenn der Wirkstoff mit Gn-RH-Agonisten kombiniert wird. Die initial durch diese Wirkstoffgruppe hervorgerufene Erhöhung von Testosteron wird durch Cyproteronacetat gesenkt.
In einer klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass Cyproteronacetat zu einer signifikanten Reduktion von Hitzewallungen bei mit LH-RH Agonisten behandelten oder orchiektomierten Patienten führt.
Meningeom
Basierend auf einer französischen epidemiologischen Kohortenstudie wurde eine kumulative, dosisabhängige Beziehung zwischen Cyproteronacetat und Meningeome beobachtet. Diese Studie basierte auf Daten der französischen Krankenkasse (CNAM) und umfasste eine Population von 253.777 Frauen, die Tabletten mit 50 – 100 mg Cyproteronacetat einnahmen. Die Inzidenz eines mittels Operation oder Strahlentherapie behandelten Meningeoms wurde zwischen Frauen, die hochdosiertem Cyproteronacetat (kumulative Dosis > 3 g,) und Frauen, die lediglich einer geringen Exposition gegenüber Cyproteronacetat ausgesetzt waren (kumulative Dosis < 3 g), verglichen. Es wurde ein Zusammenhang zwischen der kumulativen Dosis und dem Auftreten gezeigt.
Kumulative Dosis von Cyproteronacetat | Inzidenzrate (in Patientenjahren) | HRadj(95% KI)a |
Leicht exponiert (< 3 g) | 4,5/100.000 | Ref. |
Exponiert zu > 3 g | 23,8/100.000 | 6,6 [4,0 – 11,1] |
12 bis 36 g | 26/100.000 | 6,4 [3,6 – 11,5] |
36 bis 60 g | 54,4/100.000 | 11,3 [5,8 – 22,2] |
Mehr als 60 g | 129,1/100.000 | 21,7 [10,8 – 43,5] |
a Adjustiert nach Alter als zeitab | hängige Variable und Estrogen bei Anwendungsbeginn |
Eine kumulative Dosis von beispielsweise 12 g kann einem Behandlungsjahr mit 50 mg/Tag für 20 Tage pro Monat entsprechen.
5.2. Pharmakokinetische Eigenschaften
Cyproteronacetat wird nach oraler Anwendung in einem breiten Dosisbereich vollständig resorbiert.
Die absolute Bioverfügbarkeit von Cyproteronacetat ist nahezu vollständig (88% der Dosis).
Verteilung
Die Einnahme von 100 mg Cyproteronacetat bewirkt Serumspitzenspiegel von 239,2 ± 114,2 ng/ml nach 2,8 ± 1,1 Stunden. Anschließend fielen die Serumkonzentrationen des Wirkstoffs typischerweise in einem Zeitintervall von 24 bis 120 h, mit einer terminalen Halbwertzeit von 42,8 ± 9,7 h. Die Gesamtclearance von Cyproteronacetat aus dem Serum wurde mit 3,8 ± 2,2 ml/min/kg ermittelt.
Cyproteronacetat ist nahezu vollständig an Serumalbumin gebunden. Ca. 3,5 – 4% der Gesamtspiegel des Wirkstoffs liegen in ungebundener Form vor. Da die Proteinbindung unspezifisch ist, beeinflussen Veränderungen der Spiegel des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) die Pharmakokinetik von Cyproteronacetat nicht.
Aufgrund der langen Halbwertszeit der terminalen Dispositionsphase vom Plasma (Serum) und der täglichen Einnahme ist bei wiederholter täglicher Einnahme mit einer Kumulation von Cyproteronacetat um einen Faktor von ca. 3 zu rechnen.
Biotransformation
Cyproteronacetat wird über verschiedene Wege, u.a. Hydroxilierungen und Konjugationen, metabolisiert. Der Hauptmetabolit im humanen Plasma ist das 15ß-Hydroxyderivat, mit antiandrogener Wirkung. Der Phase-1-Metabolismus von Cyproteronacetat wird hauptsächlich durch das Zytochrom P450-Enzym-CYP3A4 katalysiert.
Elimination
Einige Teile der Dosis werden unverändert mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden. Der Großteil der Dosis wird in Form von Metaboliten in einem Verhältnis von 3:7 (Urin:Galle) eliminiert. Für die renale und biliäre Ausscheidung wurde eine Halbwertzeit von 1,9 Tagen ermittelt. Aus dem Plasma wurden die Metaboliten mit einer ähnlichen Geschwindigkeit ausgeschieden (Halbwertzeit von 1,7 Tagen).
5.3 Präklinische Daten zur Sicherheit
5.3 Präklinische Daten zur SicherheitSystemische Toxizität
Präklinische Daten basierend auf konventionellen Studien zur chronischen Toxizität zeigen kein spezifisches Risiko für den Menschen.
Reproduktionstoxizität
Die durch die tägliche orale Behandlung hervorgerufene vorübergehende Hemmung der Fertilität bei männlichen Ratten ergab keinerlei Anzeichen dafür, dass die Behandlung mit Androcur eine Schädigung der Spermatozoen hervorruft, die zu Missbildungen oder einer eingeschränkten Fertilität der Nachkommen führen könnte.
Genotoxizität und Karzinogenität
Anerkannte Tests zur ersten Abschätzung einer Genotoxizität erbrachten für Cyproteronacetat negative Ergebnisse. Allerdings zeigten weitere Tests, dass Cyproteronacetat Addukte mit der DNA (sowie eine Erhöhung der DNA-Reparationsaktivität) in Leberzellen von Ratten und Affen sowie in frisch isolierten menschlichen Leberzellen bilden kann, die DNA-Addukt-Spiegel waren bei Leberzellen von Hunden extrem niedrig.
Diese Bildung von DNA-Addukten trat bei systemischen Expositionen auf, die möglicherweise bei den empfohlenen Dosierungsschemata für Cyproteronacetat zustande kommen können. Eine in-vivo-Folge der Behandlung mit Cyproteronacetat war die erhöhte Inzidenz von fokalen, möglicherweise präneoplastischen Leberläsionen, bei denen die zellulären Enzyme verändert waren, bei weiblichen Ratten und eine erhöhte Mutationshäufigkeit bei transgenen Ratten, die ein bakterielles Gen als Ziel für die Mutation trugen.
Die klinische Erfahrung und gut durchgeführte epidemiologische Studien ergaben bisher keinen Anhalt für eine erhöhte Inzidenz von Lebertumoren beim Menschen. Ebensowenig ergaben Untersuchungen zur Tumorigenität von Cyproteronacetat bei Nagern irgendeinen Hinweis auf ein spezielles tumorigenes Potential. Es ist jedoch zu bedenken, dass Geschlechtshormone das Wachstum von bestimmten hormonabhängigen Geweben und Tumoren fördern können.
Insgesamt ergeben sich aus den verfügbaren Daten keine Bedenken gegen die Anwendung von Androcur beim Menschen, wenn diese gemäß der angegebenen Indikationen und in der empfohlenen Dosierung erfolgt.
Experimentelle Untersuchungen führten nach höheren Dosen bei Ratten und Hunden zu Kortikoid-ähnlichen Wirkungen auf die Nebennieren, was auf ähnliche Wirkungen beim Menschen bei der höchsten verabreichten Dosis (300 mg/Tag) hindeuten könnte.
6. PHARMAZEUTISCHE ANGABEN
6.1. Liste der sonstigen Bestandteile
Lactosemonohydrat, Povidon (K25), Magnesiumstearat, Maisstärke
6.2 Inkompatibilitäten
Nicht zutreffend
6.3 Dauer der Haltbarkeit
5 Jahre
6.4 Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung
Für dieses Arzneimittel sind keine besonderen Lagerungsbedingungen erforderlich.
6.5 Art und Inhalt des Behältnisses
Tabletten in Blisterpackungen (transparente PVC-Folie/Aluminiumfolie)
Packungsgröße: 50 Tabletten in Blisterpackungen zu je 10 Stück
6.6 Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung
6.6 Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die BeseitigungKeine besonderen Anforderungen.
7. INHABER DER ZULASSUNG
Bayer Austria Ges.m.b.H.
Herbststraße 6 – 10
1160 Wien
8. ZULASSUNGSNUMMER
1-21622
9. DATUM DER ERTEILUNG DER ZULASSUNG/VERLÄNGERUNG DER ZULASSUNG
Datum der Erteilung der Zulassung: 31. Juli 1996
Datum der letzten Verlängerung der Zulassung: 18. Juni 2001
10. STAND DER INFORMATION
09/2020
Mehr Informationen über das Medikament Androcur 100 mg - Tabletten
Arzneimittelkategorie: standardarzneimittel
Suchtgift: Nein
Psychotrop: Nein
Zulassungsnummer: 1-21622
Rezeptpflichtstatus: Arzneimittel zur wiederholten Abgabe gegen aerztliche Verschreibung
Abgabestatus: Abgabe durch eine (öffentliche) Apotheke
Inhaber/-in:
Bayer Austria GmbH, Herbststraße 6-10, 1160 Wien, Österreich